Man Repeller: eine Liebesgeschichte

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Es gibt Kleidungsstücke, an denen sich die Geister scheiden. Dazu gehört wahrscheinlich alles, was oversized getragen werden soll, Haremhosen und Maxikleider (gehören ja gewissermaßen auch in die Oversize-Familie), zu wuchtige Accessoires, androgyne Looks, Mustermix und andere Phänomene. Und wie mein Freund kürzlich auf Nachfrage angab: der Lagenlook. Aber warum nur? Ein Pullover sieht doch gleich viel besser aus, wirft man eine kuschelige, womöglich übergroße, Weste drüber. Und warum sollte man ein schwarzes Kleid ohne Jacke oder Pullover (und Weste…) tragen? Hält warm und sieht wunderbar unkonventionell aus. Eine meiner Freundinnen schüttelt es gar beim Anblick meiner Arme, auf denen sich Silber- mit Goldschmuck paart. Was würde sie wohl zu der Rosé-Gold-Silberarmbanduhr sagen, die ich letztens in einem Modemagazin geeselohrt habe…? Ich behaupte, dass sich Fragen des guten Geschmacks besonders bei trendigen Teilen entzünden. Und wenn man so ‚on trend‘ ist wie die US-Modebloggerin Leandra Medine, die sich nicht davor scheut, Denim zu Denim, weiße Socken zum Minirock oder Wollkrepp-Peplums als Minirock (Schößchen) zu tragen, muss man es sich wohl gefallen lassen, von der besten Freundin als ‚man repeller‘ bezeichnet zu werden. Jemand, der mit seinem Kleidungsstil Männer abstößt. Aber nachtragend wird Medine ihrer Freundin inzwischen wohl nicht mehr sein, denn aus deren Kommentar entstand einer der erfolgreichsten Modeblogs überhaupt: The Man Repeller. Und ein Buch: Man Repeller. Seeking Love. Finding Overalls. Ka-Ching!

Wer nun Medines Blog in Buchform erwartet, wird (glücklicherweise) enttäuscht! Medine legt zwölf Essays über Kleidungsstücke vor, die eine wichtige Rolle in ihrem Leben gespielt haben. So etwa die Straußenlederclutch von Hermès, von der Oma vermacht, die Leandra während ihres Austauschsemesters durch die Straßen Paris‘ begleitet und in die sie sich – ein Glas Roséwein zu viel – eines Nachts übergeben muss. Oder das Zeltkleid, das sie trug, als sie in der Grundschule zum ersten Mal geküsst wurde. Oder das Jeanshotpants-zum-Jeanshemd-Outfit, die Quintessenz des American Girl, obwohl Leandra nichts lieber als eine fille parisienne sein möchte.

In vielen Situationen scheitert Medine an sich selbst, hin und wieder an der Kleidung, die sie trägt. Und dabei ist sie schonungslos ehrlich. Und das ist nicht immer cool, wie einem das Mode-Bloggerdasein so oft glauben lassen möchte. Als Leser begleitet man Medine durch schwierige Teenagerzeiten, in denen sie nach einem zuckersüßen Sommercamp-Aufenthalt nur noch Bermudashorts tragen kann. Man erlebt, wie sie zum ersten Mal von ihrer Aunt Flow besucht wird, die oft unerwartet vorbeischaut und einen bleibenden Eindruck auf Stühlen und Kleidern hinterlässt. Und wie sie jahrelang nicht über ihre erste Liebe hinwegkommt, der sie irgendwann aus lauter Verzweiflung anbietet, sie zu entjungfern. Der Ex nimmt dankend an und Medine vergisst vor lauter Nervosität ihre weißen Socken auszuziehen. Als ihre Unterhose kurz vor ihrer Hochzeit unter ihrem Kleid zwickt, tauscht ihre Mutter kurzentschlossen mit ihr und muss feststellen, dass ihre Tochter mit Vorliebe alte Baumwollschlüpfer (und Sport-BHs) trägt. Modisch-glamourös ist das nicht. Aber erfrischend unterhaltsam, ungefiltert und liebenswürdig.

Medine hat ihr Handwerk an der New Yorker New School gelernt, wo sie Journalismus studierte. Sie weiß, was sie tut. Und doch schafft sie es mit ihrer ganz eigenen Handschrift, Mode, Wissen und Sprachwitz miteinander zu verbinden. Und diese Signatur ist etwas zu schmutzig für die Vogue: “Tampon toting is just one perk of having an enormous sized purse.” Selbst ihr Marchesa-Hochzeitkleid, genauer gesagt die Rosetten, bleiben nicht von ihrem Humor verschont: “If it looks like a vagina, it’s probably couture.“

Leandra Medine
Man Repeller. Seeking Love. Finding Overalls.
Grand Central Publishing, 2013.
243 Seiten

Das Buch ist in jeder Buchhandlung auf Englisch erhältlich.

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