Nachhaltigkeit: Für mehr Balance auf Modeblogs

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Da postet eine der bekanntesten deutschen Modebloggerinnen, Jessica Weiß, auf ihrem Blogazine Journelles heute Morgen über „Mode zum Wegwerfen“ und schon müssen Kommentare moderiert werden. „Moralapostel“ sagen diejenigen, die weiterhin bei Primark kaufen wollen und sich von Weiß bevormundet fühlen. Und „heuchlerisch“ rufen diejenigen, die in der „Gier nach Neuem“ die Ursache für unsere heutige Wegwerfkultur sehen. Zugegebenermaßen ist es für ein Modeblog wie Journelles, das Konsum promotet und davon lebt, ein kleines Wagnis, das Kapitel Nachhaltigkeit aufzuschlagen. So kooperieren viele wirtschaftlich erfolgreiche Modeblogs mit Marken abseits von „Green Fashion“, animieren Leser zum Kaufen, und bekommen Provision, wenn sich Kaufempfehlungen in volle Warenkörbe verwandeln. Alles so schön bunt in der Modeblogosphäre! Bis jemand das Wort Nachhaltigkeit in den Mund nimmt. Dann gerät die schillernde Konsumwelt, durch die wir in unseren neuen Manolos tanzen, ins Wanken. „I couldn’t help but wonder… Wieso verunsichert uns Nachhaltigkeit so?“

Es wäre wohl heuchlerisch zu behaupten, dass es mir mit diesem Blog kein Anliegen ist, zu einem bewussteren Umgang mit Mode und Ernährung zu animieren. Nichtsdestotrotz laufe ich nicht von Tür zu Tür, um zu missionieren. Erhobene Zeigefinger sind unattraktiv. Das bewies zuletzt die gescheiterte Veggie-Day-Aktion der Grünen. Wenn man an eine Sache glaubt und diesen Glauben lebt, möchte man dennoch auch andere dafür begeistern. Das gilt für Mode und Ernährung gleichermaßen wie für Religion und Politik. Viele Menschen finden das unangenehm und anstrengend. Fremde Ideen, die die menschlichen Gewohnheiten hinterfragen, sind nicht nur unbeliebt, sondern verunsichern auch. Nachhaltigkeit bildet da keine Ausnahme, zumal es so viele Felder einschließt.

Wenn dann ein kommerzielles Modeblog daherkommt und seiner Leserschaft, die tagtäglich Outfit-Posts (mit vereinzelten Vintagestücken) konsumiert, eine Slow-Fashion-Themenwoche präsentiert, ist der Aufschrei vorprogrammiert. Auf einmal wird der Leser dazu angehalten, sich intensiver mit Gütesiegeln zu beschäftigen, um besser über Verarbeitungsprozesse von Textilien und Produktionsbedingungen informiert zu sein. Aber grüne Mode bedeutet nicht nur Transparenz und Aufklärung, sondern auch Entschleunigung im Alltag des Trägers. Weniger ist mehr. Und diese Art von Luxus zielt nicht darauf ab, sich jede Saison neue Trendteile zu kaufen. Als Kate Fletcher 2007 in The Ecologist den Begriff „Slow Fashion“ prägte, meinte sie damit eine Lebenseinstellung. Wir sollen weniger konsumieren und in die Lebensdauer von Kleidung investieren. Fletcher geht es dabei nicht um einen Dualismus von schnell und langsam, sondern um eine Vermengung: “In melding the ideas of the slow movement with the global clothing industry, we build a new vision for fashion in the era of sustainability: where pleasure and fashion is linked with awareness and responsibility.” Wenn Blogs aber jede Woche Neuzugänge in Onlineshops besprechen, günstige Alternativen zu teuren Designerstücken vorschlagen und alle paar Monate ihre überfüllten Kleiderschränke ausmisten müssen, schafft das kein Bewusstsein für Balance, sondern kurbelt nur die Fast-Fashion-Industrie an. Jessica Weiß‘ Entscheidung, das Thema Slow Fashion trotz Oxymoron-Gefahr nicht zu ignorieren und die Reichweite ihres Blogs für Aufklärung zu nutzen, um damit einigen Lesern die Unsicherheit im Umgang mit grüner Mode zu nehmen, ist dennoch lobenswert, wenn auch längst überfällig. Oh, war das ein erhobener Zeigefinger…?

Und wer hat das letzte Wort? König Karl. In der Dokumentation „Mode als Religion“ hat Chanels Chefdesigner seinen Job nämlich wunderbar unzensiert auf den Punkt gebracht: „Wir machen ein Produkt, das keiner braucht. Man kann ohne es leben. Man muss es also so hinkriegen, dass die Leute bereit sind, sich dafür zu ruinieren, obwohl es unnötig ist.“ Hört, hört.

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