Magdalena Schaffrin bringt Ökologie und Ethik in die Fashion Week

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Wachstum hat seine Grenzen. Sollten die momentanen Wachstumstrends unverändert bleiben, erreicht die Erde in circa 100 Jahren ihre Wachstumsgrenze. In  den letzten 23 Jahren hat die weltweite Faserproduktion um 37 Tonnen zugenommen. Die Modeindustrie trägt einen entscheidenden Anteil an diesem Zuwachs. Entlastung schafft nachhaltige Mode, auch wenn sie mit weniger als 5% Beteiligung am Gesamtmarkt nach wie vor ein Nischenprodukt ist. Doch die Slow-Fashion-Bewegung öffnet Designern und Verbrauchern viele Möglichkeiten, mit traditionellen Denkweisen zu brechen und sich verantwortungsbewusster mit Mode auseinanderzusetzen. Auf dem Baltic Fashion Event in Rostock sprach Magdalena Schaffrin, Vorreiterin in Sachen Green Fashion und Mitgründerin des GREENshowroom, vergangene Woche über die ökologischen und sozialen Besonderheiten grüner Mode.

Schon während ihres Modedesignstudiums an der Berliner Universität der Künste realisierte Schaffrin, dass gute Qualität die Basis für nachhaltigen Luxus ist. Aus dieser Überzeugung heraus gründete sie 2007 ihr eigenes grünes Modelabel *magdalenaschaffrin. Schaffrins nachhaltiges Designkonzept zeichnete sich durch Ganzjahreskollektionen mit zeitlosen und aufeinander aufbauenden Unisexlooks aus – smart und konsequent. Momentan nimmt sich Schaffrin eine Schaffenspause und unterstützt andere grüne Modelabels dabei, sich in der schnelllebigen Modebranche zu etablieren. So schuf sie 2009 zusammen mit Jana Keller den GREENshowroom. Zwei Mal im Jahr treffen sich High-End-Modelabels während der Mercedes-Benz Fashion Week Berlin im Hotel Adlon und präsentieren ihre Kollektionen, die ökologisch und sozial verträglichen Standards entsprechen. Können sich die Labels keine teuren Zertifizierungen leisten, müssen sie ihre Produktionskette durch Track & Trace-Systeme, Lebenszyklus-Analysen und/oder den sogenannten CO2-Fußabdruck, d.h. die direkte und indirekte CO2-Bilanz, offen legen. Was mit 16 Labels in unmittelbarer Nähe des Fashion-Week-Zelts auf der anderen Seite des Brandenburger Tors begann, etablierte sich zu einer wichtigen Ergänzung der Berliner Modewoche. Fast Fashion im Westen, Slow Fashion im Osten. Der unnachlässige Erfolg führte 2012 zur Gründung der Ethical Fashion Show im Berliner ewerk unweit vom Hotel Adlon, wo inmitten von Industriecharme grüne Casualwear präsentiert wird. Hiermit zeigt die grüne Modeszene entgegen ihres Rufs, dass sie auch alltagstauglich und cool sein kann.

Mit dem GREENshowroom und der Ethical Fashion Show Berlin räumt Schaffrin in einer Branche, die als eine der größten Umweltverschmutzer gilt, auf. So werden in China durch die Textilproduktion pro Jahr 2,5 Millionen Tonnen an Schmutzwasser in Seen und Flüsse abgeführt. Deutsche Haushalte entsorgten 2010 insgesamt 100.000 Tonnen an Textil- und Bekleidungsabfall, berichtet der Spiegel. Hiermit einhergeht, dass sich der Konsum in Deutschland seit 1980 vervierfacht hat, wie Schaffrin angibt. Das zeigt sich auch an dem exorbitanten weltweiten Gesamtumsatz der Textil- und Bekleidungsindustrie, der sich im Jahr 2010 auf 2,560 Billionen US-Dollar belief, wie Treehugger anführt. Die Folgen von Fast-Fashion-Konsum sind nicht nur Ressourcenknappheit, erhöhte CO2-Emmissionen und verschmutztes Wasser, sondern auch horrende Arbeitszustände. Rana Plaza ist zum Sinnbild für eine Branche geworden, in der mehr als 26.5 Millionen Menschen unter lebensgefährlichen Bedingungen produzieren. Um den Forderungen nach „mehr für weniger“ nachzukommen, arbeiten Fabrikarbeiter häufig Tag und Nacht, damit in der Folgewoche der Einzelhandelsbestand aufgestockt werden kann.  Allein in der italienischen Textilstadt Prato nähen chinesische Zeitarbeiter am Tag eine Million Kleidungsstücke „Made in Italy“. In den Philippinen erhalten Arbeiter in Textilfabriken einen Stundenlohn von 88 Cent. Mit dem GREENshowroom und der Ethical Fashion Show sowie regelmäßigen Vorträgen an Modeschulen setzt Magdalena Schaffrin ein Zeichen für mehr Ethik in der Mode. Auch für Konsumenten hält sie einige Tipps bereit.

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Magdalena Schaffrin

Schaffrin empfiehlt beim Kauf von Kleidung auf Siegel zu achten. Für soziale Verantwortung und zertifizierte Fabriken stehen etwa die International Labour Organization, die World Fair Trade Organization und die Fair Wear Foundation. Qualität bedeutet nicht nur einen sicheren Arbeitsplatz und gerechte Entlohnung, sondern auch Entschleunigung. Mehr Zeit für bessere und langlebige Produkte erlaubt menschenwürdige Arbeitsverhältnisse. Das bedeutet nicht, dass Modelabels allesamt in kleinen Stückzahlen produzieren müssen, aber weniger (umfangreiche) Kollektionen auf das Jahr verteilt.

Schadstoffarme und -freie Kleidung wird regelmäßig von der Clean Clothes Campaign und dem Greenpeace Detox Catwalk, der Unternehmen dazu anhält bis 2020 schadstofffrei zu produzieren, geprüft. Gängige Zertifikate, die Aufschluss über Textilstandards geben, sind der Global Organic Textile Standard (GOTS) und bluesign. Das GOTS-Zertifikat belegt, dass das zertifizierte Produkt mindestens 90% Naturfaser aufweist, ausgenommen von Socken, Leggings und Sportbekleidung (hier liegt der Anteil bei 25%). Des Weiteren müssen 70% der Fasern von Tieren oder Pflanzen aus kontrolliert biologischer Landschaft kommen und soziale Mindeststandards eingehalten werden. Das bluesign-Zertifikat schützt insbesondere vor giftigen Produkten, die der Gesundheit und Umwelt nachträglich schaden. Das Zertifikat wird vor der Herstellung vergeben, um eine ökologisch-einwandfreie Produktion zu gewährleisten.

Darüber hinaus rät Magdalena Schaffrin dazu, auf Lyocell/Tencel, eine aus Holz gewonnene Funktionsfaser, die schadstofffrei verarbeitet wird, sowie auf organische Fasern zurückzugreifen, die u.a. keine Pestizide aufweisen und weniger Wasser verbrauchen. Auch Recycling oder Upcycling, also die Verwendung von vermeintlichen Abfällen, entlasten die Umwelt. Eine nahezu abfallfreie Produktion verfolgt das „zero waste“-Konzept, welches Schnitt- und Textildesign vereint und dadurch die üblichen 15% Abfall, die pro Kleidungsstück entstehen, verhindert. Weitere innovative Ideen im Bereich Slow Fashion sind Kleidertausch, Cradle 2 Cradle – hier wird ein Produkt am Ende seines Lebenszyklus zurück in biologische oder industrielle Zyklen geführt, so dass dasselbe Produkt nochmals oder etwas Besseres entstehen kann – , Leasing und crowd production bzw. Produktion auf Sammelanfrage.

Im Januar zieht der GREENshowroom übrigens aus Platzgründen in das Kronprinzenpalais. Magdalena Schaffrin kann nun auch dem letzten Green-Fashion-Skeptiker entgegnen: Nachhaltigkeit ist ein globaler Trend, der bleibt, und die grünen Messen sind, wie die Bread & Butter, ein fester Bestandteil der Berliner Fashion Week. Wie lässt es sich sonst erklären, dass grüne Labels den Schritt durch das Brandenburger Tor wagen und ihre Kollektionen im Zelt präsentieren, wie zuletzt das vegane Berliner Modelabel Umasan?.

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