Die Herstellungskette eines Kleidungsstücks zurück zu verfolgen ist äußerst komplex, für den Käufer oft schier unmöglich. Kürzlich habe ich hier über die transparente Produktionskette in den Fabriken der Handelsfirma Remei AG berichtet – eine Ausnahme. Viele Marken in der Textil- und Bekleidungsindustrie lassen nämlich nicht in eigenen Fabriken produzieren und verfügen oft über eine mehrere Kontinente umfassende Zulieferkette. Zumeist arbeiten unzählige Marken unter einem Dach und mehrere Arbeiter sind an der Herstellung eines Kleidungsstücks beteiligt. Der Fabrikeinsturz am Rana Plaza vor knapp einem Jahr ist ein trauriges Beispiel dafür, wie undurchsichtig es in der Textilproduktion zugehen kann. Wer ist für die Arbeiter verantwortlich, wenn diese morgens T-Shirts für Gap anfertigen und abends Knöpfe für Primark annähen? Die Folge sind ausbleibende Schadensersatzzahlungen und nicht rechtsverbindliche Absichtserklärungen von Seiten der Marken. Für eine bessere Zusammenarbeit zwischen Marken und Fabriken setzt sich die Fair Wear Foundation (FWF) ein. Als gemeinnützige Organisation, die von Unternehmensverbänden, Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen geführt wird, berät sie seit 1999 Unternehmen in ihrer Verbesserung von Arbeitsstandards.
Mitglieder der FWF verpflichten sich zur Einhaltung von acht Arbeitsrichtlinien, die auf den Grundsätzen der International Labour Organization (ILO) und der Menschenrechtsverfassung der United Nations beruhen:
1. Keine Zwangsarbeit
2. Keine Diskriminierung am Arbeitsplatz
3. Keine Kinderarbeit
4. Vereinigungsfreiheit und das Recht auf kollektive Verhandlungen
5. Existenzsichernde Löhne
6. Keine überlangen Arbeitszeiten
7. Sicheres und gesundes Arbeitsumfeld
8. Ein rechtsverbindliches Arbeitsverhältnis
Jede Marke kann Mitglied bei der FWF sein, solange Fortschritt und Verbesserungen in der Zulieferkette festgestellt werden können. Die FWF bietet vier verschiedene Mitgliedsformen an. Hierfür muss jedes Mitglied einen Arbeitsplan erstellen, die von der FWF aufgestellten Richtlinien von allen Lieferanten unterzeichnen lassen und zum Jahresende einen Sozialbericht verfassen. Anschließend überprüft die FWF die Arbeitsbedingungen vor Ort und veröffentlicht einen sogenannten „Brand Performance Check“, der alle positiven und negativen Ergebnisse der Inspektionen aufbereitet und online nachgelesen werden kann.
So kann ich als Konsument auf fairwear.org erfahren, dass das schwedische Label Filippa K seit 2008 Mitglied in der Fair Wear Foundation ist und Zulieferer in der Türkei, in China, Rumänien, Ungarn, Italien, Portugal, Litauen, Estland und Schweden hat. Auch wenn die FWF nicht überall aktiv ist, erhält man mit einem Klick über alle Länder Fakten und Zahlen rund um die Situation der dortigen Textil- und Bekleidungsindustrie. Bei Filippa K sind drei „Brand Performance Checks“ von Seiten der FWF sowie zwei Sozialberichte des Labels einzusehen. Als affiliate-Mitglied verpflichtet sich Filippa K zu einer Schritt-für-Schritt-Implementation der FWF-Arbeitsrichtlinien, die jährlich von der FWF begutachtet wird. So hält die FWF in einem 17-seitigen Bericht von 2012 etwa fest, dass in den chinesischen Fabriken, in denen Filippa K Arbeiter beschäftigt, keine Diskriminierung am Arbeitsplatz oder Kinderarbeit festgestellt werden konnte, Arbeiter jedoch jeden Tag bis zu vier Überstunden in Kauf nehmen müssen und nur über unzureichend ausgestattete Arbeitsplätze verfügen. Um die Mängel zu korrigieren, stellt die FWF Verbesserungsmaßnahmen auf. Es ist liegt dann in der Verantwortung des Labels, diese umzusetzen.
Die Fair Wear Foundation ist mittlerweile in über 15 Ländern aktiv. Neben Verifizierungen und einer eigens eingerichteten Beschwerdehotline für Fabrikmitarbeiter, bietet die FWF auch Unterstützung durch Weiterbildungsseminare an. Dies geschieht innerhalb des 2013 lancierten WellMade-Projekts, welches von der Europäischen Union gefördert wird. Als leitender Partner bietet die FWF kostenlose WellMade-Seminare auf Messen, wie etwa auf der Ethical Fashion Show Berlin, an. Akteure aus der Textil- und Bekleidungsindustrie erfahren hier, wie sie aktiv Einfluss auf die Bedingungen in Textilfabriken ausüben können.
Wenn ihr also Kleidung eines Labels kauft, das Mitglied in der Fair Wear Foundation ist, ist das zwar keine Garantie dafür, dass das Kleidungsstück zu 100 Prozent unter fairen Bedingungen entstanden ist, aber es ist ein Zeichen, dass das Label gewillt ist, soziale Verantwortung für seine Arbeiter zu übernehmen und sich der öffentlichen Begutachtung zu stellen.
Eine vollständige Übersicht der aktuellen Fair Wear Foundation-Mitglieder findet ihr hier.
Danke für den tollen Beitrag – ich hab Dich in einem meiner Beiträge verlinkt, in dem es auch über das Thema geht. Ich hoffe das ist okay 🙂 Lg!!
Freut mich, dass er dir gefällt. Und vielen Dank für die Verlinkung!
Gerne doch 😉 LG
Leider ist es immer noch Gang und Gebe, dass nur die wenigsten Hersteller so etwas nutzen. Es sind immer noch kleiner Nieschenhersteller, die „Fair“ supporten. Immerhin steigen mehr und mehr bekanntere Marken ein.
Hallo Nadine, danke für deinen Kommentar. Dass große Fast Fashion-Ketten, wie H&M, Primark, Zara & Co, Organisationen wie der Fair Wear Foundation beitreten, ist tatsächlich nur schwer vorstellbar. Das würde ja voraussetzen, dass sie erst einmal öffentlich einräumen müssten, dass sie Hilfe bei der Sicherstellung von fairen Arbeitsbedingungen brauchen. Auch wenn der Fabrikeinsturz am Rana Plaza das natürlich schon längst zum Ausdruck gebracht hat…
Danke für diesen tollen Eintrag. Es ist wirklich traurig, dass dieses Problem noch existiert…. Aber wie Nadine gesagt hat: Zu viele große Marken und nur wenige Hersteller, die faire Arbeitsmoral haben.