Die grünen Modemessen sind mein persönliches Highlight während der Mercedes-Benz Fashion Week Berlin. Seit seiner Gründung im Jahr 2009 durch Magdalena Schaffrin und Jana Keller gilt der GREENshowroom als fester Bestandteil der Berliner Modewoche. Während sich auf der Ethical Fashion Show Berlin grüne Street- und Casualwear-Labels präsentieren, fokussiert sich der GREENshowroom auf nachhaltige High-Fashion-Labels. Das Schöne: Die Anzahl an Ausstellern (und Besuchern) wächst stetig; dieses Jahr kamen 31 Modelabels in das Kronprinzenpalais. Hier trifft man in entspannter und persönlicher Atmosphäre Modedesigner, die vor allen eines zulassen: Fragen. Denn auf den Ökomessen geht es um mehr als ein Lookbook, hier geht es um nachhaltige Konzepte. So verschreiben sich alle ausstellenden Labels bestimmten Nachhaltigkeitsstandards, die etwa darauf abzielen, Schadstoffe zu vermeiden, weniger Ressourcen zu verschwenden, angemessene Löhne zu zahlen und eine transparente Kommunikations- und Nachhaltigkeitsstrategie zu verfolgen.
Neben Reet und Siim von Aus Design traf ich mich im GREENshowroom mit dem jungen Modelabel Luxaa aus Halle. Das seit 2012 bestehende Label besticht durch seinen reduziert-klassischen Stil und den Einsatz innovativer Materialien, wie der Kunstfaser Tyvek. Im GREENshowroom präsentierte Luxaa seine Herbst/Winter 2014/15 Kollektion „Themse“. Gründerin und Designerin Anne Trautwein traf sich mit pink & green zum Interview und sprach über die Suche nach dem richtigen Stoff, Kundenmarketing und Fast Fashion.
Liebe Anne, bitte stell dich und Luxaa kurz vor.
Bis Januar 2010 habe ich an der Kunsthochschule Burg Giebichenstein in Halle Modedesign studiert. Zwischendurch arbeitete ich als Designerin bei Adidas und studierte anschließend ein dreiviertel Jahr Schmuckdesign in Valencia. Zurück in Deutschland, absolvierte ich meinen Abschluss. Während des Abschlussjahres habe ich angefangen, mich mit Tyvek als Thema meiner Kollektion auseinanderzusetzen, worin der Ursprung von Luxaa liegt.
Luxaa arbeitet hauptsächlich mit dem Material Tyvek. Das Gestrick hast du dir als Innovation patentieren lassen. Wie bist du auf Tyvek gestoßen?
Für meine Diplomarbeit habe ich ein Material gesucht, was völlig assoziationsfrei ist. Ein Beispiel: Wenn man an Seide denkt, denkt man an Eleganz, etwas Hochwertiges und Edles. Bei Wolle eher an Öko und Bio. Ich habe nach einem Material gesucht, das im Bekleidungs- und textilen Bereich noch weitestgehend unbekannt ist, wozu der Betrachter der Kollektion also keinen Bezug hat. Als ich auf Tyvek stieß, habe ich mich in dem Jahr meiner Diplomarbeit regelrecht in dem Material verloren, viel damit herum experimentiert und dabei unser besonderes Gestrick aus Tyvek entdeckt (Anm. d. Red.: Tyvek ist eine geotextile Membran mit atmungsaktiven und antiallergenen Eigenschaften. Das von Luxaa entwickelte Garn ist waschbar und vollständig recycelbar). Nach der Präsentation kamen dann die ersten Stimmen, die meine Arbeit sehr interessant fanden und mich fragten, ob ich das nicht weiter verfolgen möchte und das Gestrick als Patent anmelden kann. Ich habe mit meiner Kollektion dann bei einem branchenrenommierten Wettbewerb in der Kategorie ‚Textil‘ den 2. Platz gemacht (Anm. der Red.: Innovationspreis Gesamtverband textil + mode). Ursprünglich war das alles gar nicht so geplant und ich wollte mich erst einmal dem Grafikdesign widmen.
Also zog das Herumexperimentieren mit Tyvek die Labelgründung nach sich?
Genau, die Gründung des Labels war die Konsequenz aus dem Material, da immer mehr Nachfragen kamen, wie denn mein Label heißt. Ich musste erklären, dass das meine Diplomkollektion ist und es kein Label gibt. Das kam jedoch nicht so gut an, man musste es definieren. Also wurde Luxaa aus der Taufe gehoben und wir haben unser Label im Oktober 2011 auf dem Designer’s Open gelauncht.
Was hat es mit eurem Konzept „Material Vision into Fashion“ auf sich?
Das rührt daher, dass meine Passion in der Materialrecherche und -entwicklung liegt. Ich liebe es, mit Materialien herum zu experimentieren und nach Materialien zu schauen, die nichts mit Mode zu tun haben oder so noch nicht verwendet worden sind, etwa im Accessoire-Bereich.
Zum Beispiel Holz als Gürtel?
Genau. In der letzten Sommerkollektion haben wir auch Quarzsplitter in Gießharz verwandelt, die dann zu Ketten, Armbändern und Ohrringen verarbeitet wurden. Oder wir haben Sand in Form gegossen.
Ihr benutzt ja auch Seide…
Das Credo ist: Das Material Tyvek als Stamm- und Kernelement zu verwenden und dann einen Zusatzstoff, der sich von Saison zu Saison ändert. In der letzten Sommersaison war es Seide in verschiedenen Qualitäten, jetzt ist es Bioflanell. In der nächsten Saison wird es wieder etwas Neues sein.
Für wen entwirfst du Kleidung? Wer ist die Luxaa-Kundin?
Ich designe nicht für einen bestimmten Kunden, auch wenn wir natürlich eine bestimmte Zielgruppe haben. Meine Managerin Anja Schneemann erinnert mich zwar hin und wieder daran, dass die Designs auch verkäuflich sein müssen und die Zielgruppe und das Alter nicht außer Acht gelassen werden dürfen. Grundsätzlich designe ich aber intuitiv, es muss sich einfach richtig anfühlen. Ich setze mir am Anfang auch kein übergeordnetes Thema. Ich habe eine Vorstellung davon, wie die Kollektion ungefähr aussehen soll. Woher das kommt, weiß ich nicht. Ich sauge einfach wie ein Schwamm alles auf, was ich sehe und lese. Und daraus generiert sich dann unbewusst ein Bild der nächsten Kollektion.
Wovon habt ihr euch für eure aktuelle Kollektion inspirieren lassen?
Im Vergleich zu der letzten Kollektion wollte ich einfach wesentlich straighter und cleaner werden. In der aktuellen Kollektion liegt der Fokus auf dem Purismus. Aber in meinem Kopf bin ich schon wieder mit der Ästhetik meiner nächsten Kollektion beschäftigt.
Magst du darüber schon was verraten?
Als Mittler und innovatives Element werden wir Tyvek benutzen. Dazu gibt es einen relativ starren Gegensatz kombiniert mit einem fließenden und weich fallenden Material, das leicht transparent ist. Es wird eine Kombination aus klarer Linienführung und Ästhetik mit fließenden und transparenten Elementen.
Worauf achtest du, wenn du Stoffe aussuchst?
Der Stoff muss sich gut anfühlen und eine griffige Qualität haben. Ein absolutes Muss ist, dass der Zusatzstoff, der zum Tyvek dazukommt, GOTS zertifiziert ist.
Wie sind die Auswahlmöglichkeiten an zertifizierten Stoffen?
Da in der Stoff- und Textilbranche, wie in jeder anderen Branche auch, Nachhaltigkeit als Marketinginstrument entdeckt wurde, gibt es mittlerweile eine gute Bandbreite an Biostoffen.
Auch mit eurem Rücknahmesystem verfolgt ihr einen nachhaltigen Ansatz. Wie kam es dazu?
Da Tyvek zu 100 Prozent recycelt werden kann, bieten wir die Rücknahme an. Der Hersteller hat die Möglichkeit, Tyvek fünf Mal zu neuem Tyvek herstellen zu lassen, bevor es downgecycelt wird, also zum Beispiel zu PET-Flaschen. Von daher ist es naheliegend zu sagen, beim Kauf eines Luxaa-Produkts bekommt der Kunde die Möglichkeit, das Produkt, wenn er es nicht mehr möchte oder sehen kann, zurückzugeben. Wir schicken die Sachen dann gesammelt an den Hersteller zurück. Als Gegenleistung bieten wir einen Voucher mit 10 bis 15 Prozent Preisnachlass auf ein neues Luxaa-Teil an.
Oft kommt der Verdacht auf, dass Nachhaltigkeit in der Modebranche inflationär verwendet wird. Wie siehst du das?
Ich möchte mal die starke Vermutung äußern, dass dies bei einem Großteil der Unternehmen der Fall ist. Oft wird leider nur gesehen, dass sich damit Geld verdienen lässt. Als kleines Label muss man es aber aus Überzeugung machen, denn man wird erst einmal nicht reich damit.
Viele nachhaltige Labels stehen den Shows im Zelt mit Skepsis gegenüber. Das vegane Label Umasan zeigt nun zum zweiten Mal seine Kollektion auf der Fashion Week. Muss man, um den großen Sprung zu schaffen, ins Zelt?
Wir standen auch schon an diesem Punkt und haben uns gefragt: Müssen wir diesen Schritt möglicherweise gehen, um das, was wir jetzt tun, zu einem wirtschaftlichen Erfolg zu bringen? Schließlich muss man auch Geld verdienen. Aber ich stehe hier in einem großen Interessens- und Gewissenskonflikt. Mit allem, was wir bei Luxaa tun, machen wir genau das Gegenteil von Fast Fashion. Nämlich ein puristisches, klassisches Design, das nicht jedes halbe Jahr ausgetauscht werden muss, sondern was als Klassiker und Lieblingsstück im Schrank bleiben soll und in jeder Saison, insofern man das möchte, mit einem Trendmodell kombiniert werden kann. Außerdem wirtschaften wir langsam, wir wollen in unserer Unternehmensstruktur alles organisch wachsen lassen. Diese Sachen sprechen alle gegen Fast Fashion und damit auch gegen den Hype, jede Saison aufs Neue eine wahnsinnig kostspielige, und gleichermaßen schnell vergessene Show zu zeigen.
Viele Käufer bemängeln, dass grüne Mode schwer in konventionellen Einkaufsstraßen zu finden sei. Wie siehst du das?
Im Zuge des Nachhaltigkeitstrends finde ich, dass einem mittlerweile häufiger nachhaltige Produkte über den Weg laufen. Im Internet findet man, meine ich, jedoch in erster Linie Ökolabels und weniger Interessantes, Formschönes und Feingeistiges. Aber dadurch, dass die Presse das Thema auch für sich entdeckt hat und man immer mehr nachhaltige Geschichten und Adressen findet, wird es leichter, Zugang zu grüner Mode zu finden.
Kostenpunkt grüne Mode. Würdest du sagen, es ist möglich, grüne Mode günstig zu produzieren?
Unser Durchschnitt liegt bei 250 Euro pro Teil. Das ist natürlich gut investiertes Geld, weil man kein Trendprodukt hat, was in einem halben Jahr nicht mehr zu tragen ist und nach letzter Saison aussieht. Unsere Teile sind aufgrund des Materials innovativ und aufregend, in ihrer Formsprache klassisch und puristisch, so dass man sie eine ganze Weile tragen kann. Insofern amortisiert sich der Preis dadurch. Auf der anderen Seite setzt sich so ein Preis aus den Produktionskosten zusammen. Wir lassen in Deutschland, z.B. in Apolda, produzieren und einen kleinen Teil an der deutsch-polnischen Grenze. Dort werden soziale Standards eingehalten. Zu der Philosophie unseres Unternehmens gehört es, authentisch, ehrlich und transparent zu sein. Wir kommunizieren jeden Herstellungsschritt und man kann jeden zurückverfolgen.
Was wünscht du dir für die Zukunft?
Dass sich unser Projekt wirtschaftlich trägt. Aber da sind wir alle positiv gestimmt. Ansonsten hoffe ich, dass sich in Zukunft das Bewusstsein für ernsthafte Nachhaltigkeit in jeglichen Bereichen in unserer Gesellschaft durchsetzt. Dass man sich darüber Gedanken macht, wie die Arbeiter in beispielsweise Bangladesch leben, die die Sachen, die man trägt, produzieren. Dass man sich Gedanken darüber macht, was für eine Lebenserwartung ein Färber in Indien hat, der die Stoffe mit Chemikalien färbt. Also einfach, dass die Leute sich dessen bewusster werden. Analog dazu muss die Quantität des Konsums abnehmen.
Danke, liebe Anne, für das offene Interview.
Das Interview wurde am 15. Januar im GREENshowroom geführt und für diese Veröffentlichung gekürzt und redigiert.