Während sich im GREENshowroom nachhaltige High-End-Modelabels wie Luxaa und Aus Design treffen, geht es auf der Ethical Fashion Show eine Spur cooler zu. Im Berliner ewerk versammelten sich vom 14. bis zum 16. Januar zum fünften Mal 85 urbane Street- und Casualwear-Labels aus 17 Ländern. Eröffnet wurde die Messe von Kristin Brodde, Detox-Campaignerin für Greenpeace Deutschland und Herausgeberin des Blogs Grüne Mode, die sich davon überzeugt zeigte, dass grüne Modelabels „eine Gegenkraft und zugleich ein Modell zur Transformation für die gegenwärtige Modewirtschaft bilden“.
Unter dem Leitthema „Peak“ (zu Deutsch: Gipfel, Höchstbelastung) lud die Ethical Fashion Show zu Seminaren zu textilen und sozialen Standards sowie zum „Creative Green Breakfast“ ein. In einer ehemaligen Steuerzentrale diskutierten Benjamin Köhler (Senior Projektmanager Corporate Responsibility bei Otto GmbH & Co KG), Lisa Muhr (Mitgründerin von Göttin des Glücks) und Chandra Prakash Jha (Gründer von Cocccon) über Unternehmenskommunikation von Nachhaltigkeit und Gemeinwohlökonomie. Nicht nur Medienvertreter, sondern auch viele Aussteller selbst nahmen an der von Maria Exner (Redakteurin Zeit Online) moderierten Podiumsdiskussion teil. Besonders interessant fand ich das Wirtschaftskonzept der Gemeinwohl-Ökonomie. Als Botschafterin dieser Systemalternative setzt sich Lisa Muhr dafür ein, dass Unternehmen wirtschaftlichen Erfolg nicht nur mit monetären, sondern auch mit nicht-monetären Indikatoren messen. Spieglein, Spieglein an der Wand: Wie sozial, ökologisch, demokratisch und solidarisch ist mein Unternehmen? Der Grundsatz des Modells lautet: Je besser die Gemeinwohl-Bilanz-Ergebnisse eines Unternehmens sind, desto bessere Bilanzergebnisse erzielt es. Um Unternehmen Anreize zu geben, sollen gesetzliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, wie Kredit- und Steuervergünstigungen.
Beim Messerundgang habe ich viele tolle Labels wiedergetroffen und kennengelernt. Vier grüne Labels möchte ich euch gerne näher vorstellen.
Anders als bei Aus Design verwendet das Upcycling-Label aluc aus Berlin pre-consumer waste, also Abfälle, die vor der Produktion entstehen. Jonathan Leubert zeigte mir die miteinander verwebten Musterproben, aus denen bei aluc Hemden und Blusen hergestellt werden. alucs Markenzeichen sind die abnehmbaren Kragen. Dadurch hat der Träger nicht nur die Möglichkeit, seinen Style je nach Lust und Laune zu variieren, sondern auch die Lebensdauer des Kleidungsstücks zu verlängern. Die verwendeten Baumwollstoffe tragen das bluesign-Zertifikat, selbst die Knöpfe sind recycelt. Produziert wird in Harz-Weser-Werkstätten in Osterode am Harz und in Berliner Behindertenwerkstätten, kaufen könnt ihr aluc beispielsweise im Upcycling Fashion Store.
Angetan haben mir es auch die knallbunten Unisex-Socken von Minga Berlin. Der Käufer soll sich hier in erster Linie durch das Design angesprochen fühlen. Dass die Socken (und demnächst auch Strumpfhosen) GOTS zertifiziert und in Europa produziert werden, ist für Minga Berlin selbstverständlich, für uns ein positiver Nebeneffekt. Und auch der Preis von 10 Euro pro Paar sollte wohl den letzten Grüne Mode-Skeptiker überzeugen. Denn Minga Berlin soll laut Gründer Markus Lukasson keine elitäre Gruppe, sondern eine breite Masse ansprechen. Deswegen sei es auch das Ziel, in Shop-in-Shop-Systemen in Warenhäusern vertreten zu sein. Doch der Weg dahin erfordere Durchhaltevermögen. Bis es soweit ist, kaufe ich meine Minga Socken im eigenen Onlineshop ein. Die nächste Kollektion dürfte übrigens eine Spur rockiger und schwarzer werden, denn dafür geht Minga Berlin eine Kooperation mit der Berliner Designerin Esther Perbandt ein. Ich bin gespannt.
Wie Slow Fashion aussehen kann, zeigt die wandelbare Männermode von Ben Weide. Zusammen mit Petra Hoyer entwirft er bei 30 Grad waschbare Anzüge aus Schurwolle, die je nach Anlass erweiterbar sind. So kann Mann den Anzug mit einem MotoCoat (Motorradjackenelemente treffen auf Abendmantel) oder einem Suiddy (Sakko-Kapuzenjacke-Kombination) kombinieren und mit nur wenigen Handgriffen vom Business- zum Freizeitlook und umgekehrt übergehen. Auch für männliche Problemzonen hat Ben Weide eine Lösung parat: das Alpha-Omega-Hemd gleicht einer optischen Täuschung. Alles ist made in Europe: Die Stoffe werden in Deutschland gewebt und gefärbt und in Polen genäht.
Und zu guter Letzt solltet ihr euch noch das Label Sag + Sal merken. In einer Berliner Manufaktur upcyceln Rupert Jensch und sein Partner Andjelko Artic ausrangierte Drucktücher zu Taschen. Diese werden mit Hilfe von Gurtbändern aus der Möbelindustrie, Buchbinderschrauben oder Katzenaugen zu Umhängetaschen, Aktentaschen, Fahrradtaschen, Clutches, Etuis und Schlüsselanhängern verarbeitet. Das Tolle: Jedes Drucktuck erzählt bei genauerem Hinsehen eine andere Geschichte: Wie wäre es mit einem Comicstrip aus Tim und Struppi Schritte auf dem Mond oder einem Still aus The Godfather? Das Berliner Design gibt es mittlerweile auch in Hamburg, München, Düsseldorf und Brooklyn (!) zu kaufen.
Die nächste Ethical Fashion Show Berlin findet vom 8. bis zum 10. Juli statt. Lasst es uns bis dahin richtig machen!